Konferenzbericht "Equitable Licencing of Medical Research Results"
Am 23. und 24. April 2009 veranstaltete die Charité-Universitätsmedizin Berlin in Zusammenarbeit mit der BUKO Pharma-Kampagne und dem Zentrum für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen eine Konferenz zum Thema "Equitable Licensing". Diskutiert wurden neue Lizenzmodelle für den Technologietransfer von Ergebnissen öffentlicher Grundlagenforschung zur Produktentwicklung in die pharmazeutische Industrie. Zentrale Frage war, wie die Lizenzen die Versorgung mit Arzneimitteln in Entwicklungsländern verbessern können.
Öffentliche Forschung spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Medikamenten. Experten stimmten darin überein, dass die Bedürfnisse von Entwicklungsländern so früh wie möglich bei der Forschung berücksichtigt werden müssen. Neue Lizenzmodelle könnten deshalb große Wirkung zeigen, wenn sie den Technologietransfer von öffentlichen Einrichtungen an kommerzielle Unternehmen und an soziale Bedingungen knüpfen.
Die Konferenz wurde von der Volkswagenstiftung finanziert.
Warum diese Konferenz?
Dr. Christian Wagner-Ahlfs, Koordinator des deutschen Projekts zu Equitable Licensing, eröffnete die Konferenz mit dem Verweis auf die Bedeutung dieser in Europa erstmaligen Zusammenkunft. In Entwicklungsländern sterben jedes Jahr Millionen von Menschen an Erkrankungen die eigentlich verhindert, behandelt oder gar geheilt werden könnten. In Afrika südlich der Sahara leben 6% aller 15-49-jährigen mit HIV/AIDS. Alleine Malaria tötet jährlich rund eine Millionen Kinder unter 5 Jahren. Darüber hinaus sterben jeden Tag mehr als 35 000 Menschen an für Entwicklungsländer spezifischen sogenannten vernachlässigten Krankheiten. Einer der Gründe für diese Notlage in Entwicklungsländern ist, dass der Markt nur wenig Anreiz bietet, Medikamente für die dort vorherrschenden Krankheiten zu entwickeln.
Neue Erkenntnisse und medizinische Innovationen haben ihren Ursprung oftmals an Universitäten und öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen. Obwohl die öffentliche Hand für mehr als 50% aller Forschungsausgaben im Gesundheitsbereich aufkommt, bleibt die Mehrheit der Weltbevölkerung von den Ergebnissen dieser Bemühungen meist ausgeschlossen. Zweifellos müssen neue Modelle geschaffen werden, die geistige Eigentumsrechte als Anreize für öffentliche Forschung und industrielle Produktentwicklung mit einem gerechten weltweiten Zugang zu Innovationen verknüpfen. Das Modell des Equitable Licencing für Ergebnisse öffentlicher Forschung ist ein vielversprechender Ansatz.
Prof. Dr. Stefan N. Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, sprach als Gastgeber die Begrüßungsworte. Forschung, Innovation und Geld, so Willich, seien alle miteinander verbunden. Hochschulen stünden in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, gerade bei der Forschung und Entwicklung von lebenswichtigen Medikamenten. Die Konferenz ist hilfreich dabei, eine umfassendere Sicht dazu zu entwickeln, wie Forschung und Innovation durch die angemessene Nutzung von Patenten und geistigen Eigentumsrechten gefördert werden kann.
Equitable Licensing medizinischer Forschungsergebnisse
Zur Konferenz waren international anerkannte Experten aus den Bereichen Forschung, Regierung, Politik und Zivilgesellschaft angereist. Den Einführungsvortrag hielt Ellen 't Hoen, leitende Beraterin für Fragen des geistigen Eigentums und des Patentpools für Arzneimittel bei der Organisation UNITAID. 't Hoen erörterte die Notwendigkeit, neue Wege im Umgang mit geistigen Eigentum zu finden, die den Medikamentenzugang in Entwicklungsländern verbessern. Die strategische Nutzung von geistigen Eigentumsrechten kann eine wichtige Rolle bei der Produktion von bezahlbaren Medikamenten spielen. Mit dem Konzept der Patentpools erläuterte 't Hoen eine Möglichkeit zur Reduzierung der Preise für HIV Medikamente. Solche gemeinschaftlichen Lizenzmodelle ermöglichen die frühzeitige Produktion von Generika. Dazu werden alle Patente einer Technologie zusammengeführt und dritten Parteien wie beispielsweise Generikaherstellern gegen eine Zahlung von Gebühren zur Verfügung gestellt.
Die Bedeutung von Lizenzen für öffentlich geförderte Forschung wurde zum ersten Mal im Falle des HIV Medikamentes Stavudine (Zerit®) deutlich. Der Wirkstoff wurde an der Universität Yale entwickelt und dann exklusiv an das Pharmaunternehmen Bristol-Myers Squibb lizenziert. Eine öffentliche Kampagne von Studierenden gemeinsam mit Wissenschaftlern und HIV-Aktivisten rückte 2001 die Lizenzvereinbarungen der Universität in die öffentliche Aufmerksamkeit. Weitere Verhandlungen mit dem Unternehmen führten schließlich dazu, dass kostengünstiges Stavudine als Generikum in Entwicklungsländern erhältlich wurde.
Die Praxis der Patentierung
Die Bedeutung von Lizenzen wurde in den folgenden Vorträgen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Dr. Christian Stein, Geschäftsführer der Patentverwertungsagentur Ascenion, gab einen Überblick, mit welchen Mitteln akademischer Technologietransfer gemeinnützigen Zwecken dienen kann. Dr. Frank Schmiedchen, Regierungsdirektor im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, stellte den internationalen Diskussionsprozess vor, der auf der Weltgesundheitsversammlung 2008 im Beschluss eines Aktionsplans zur verbesserten Arzneimittelversorgung armer Länder mündete. Ziel des Plans ist es, zusätzliche und alternative Anreize zur Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente zu erarbeiten. Die deutsche Bundesregierung unterstütze dieses Ziel mit unterschiedlichen Maßnahmen wie beispielsweise der Förderung von lokaler Arzneimittelproduktion in Entwicklungsländern.
Prof. Anthony So vom Terry Sanford Institute of Public Policy an der Universität Duke ging auf die bereits 1980 in den USA verabschiedete Bayh-Dole Gesetzgebung ein, die zum Vorbild der 2001 ins Leben gerufenen deutschen Patentverwertungsinitiative wurde. Beide Gesetzgebungen wurden mit dem Ziel verabschiedet, die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung zu patentieren und so Einkommen für Universitäten durch Lizenzgebühren zu schaffen. In seinen Studien wird allerdings deutlich, dass nur eine von siebzig untersuchten Universitäten Lizenzgebühren einnimmt, die die eigenen Forschungsausgaben übersteigt. Auch wurde deutlich, dass nur einige wenige Lizenzen für den Großteil der Einnahmen verantwortlich sind. So"™s Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Bayh-Dole-Gesetzgebung die Bedürfnisse von Entwicklungsländern nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Referenten brachten zum Ausdruck, dass die Preisbarrieren beim Medikamentenzugang durch die Einführung einer gerechten Patentierungs- und Lizenzierungspraxis abgebaut werden sollten. Gleichzeitig sollte Innovation im pharmazeutischen Sektor aufrecht erhalten beziehungsweise gefördert werden. Auch eine aussagekräftige Matrix zur Bewertung von Technologietransfer anhand von Medikamentenzugang und Innovation zu vernachlässigten Krankheiten sei notwendig.
Good practice
Die praktischen Aspekte der Patentierung und Lizenzierung wurden mit Fallbeispielen aus mehreren akademischen Einrichtungen erläutert. Verschiedene Ansätze zeigten, wie zwei scheinbar gegensätzliche Welten zusammenkommen können: gewinnorientierte Unternehmen und öffentlich finanzierte Forschung. Dr. Ashley Stevens berichtete aus seiner Erfahrung als geschäftsführender Direktor des Office of Technology Development (Boston University). Er stellte praxiserprobte Werkzeuge vor, die unsere Lizenzkultur verändern würden, etwa verpflichtende Sublizenzen an Generika-Hersteller in Entwicklungsländern, oder Patentverzicht in bestimmten Ländern.
Dr. Geertrui Van Overwalle vom Centre for Intellectual Property Rights analysierte die Erfahrungen der University of Leuven im Umgang mit Patenten. Sie verdeutlichte, wie eine Universität sowohl als Inhaber wie auch als Nutzer von Patentrechten einer sozialen Verantwortung nachkommen müsse.
Dr. Amit Sengupta vom Delhi Science Forum (Indien) zeigte am Modell der Open Source Arzneimittelforschung, wie Ideen weltweit geteilt werden und prinzipiell jeder Interessierte am Forschungsprojekt mitarbeiten kann. Ethan Guillén stellte die Arbeit der Universities Allied for Essential Medicines (UAEM) vor, eines Zusammenschlusses von Studierenden und Akademikern, die sich für die soziale Verantwortung ihrer Hochschulen einsetzen. Alle vorgestellten Ansätze verbindet ein Ziel: den weltweiten Zugang zu Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika sicherzustellen.
Situation in Deutschland
Im Zentrum des zweiten Konferenztages stand die Situation in Deutschland und Europa: welche Probleme gibt es beim Übergang von der Grundlagenforschung in die Anwendung (translationale Forschung), welche Erfolge sind vorzuweisen?
Prof. Dr. Stefan Kaufmann, Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie, erläuterte am Beispiel der Tuberkulose den Forschungsbedarf und betonte die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit von öffentlichen und kommerziellen Einrichtungen. Prof. Dr. Ulrich Dirnagl, Direktor des Instituts für Experimentelle Neurologie an der Charité-Universitätsmedizin, beleuchtete die Interessenskonflikte, die bei solchen Kooperationen auftreten. Der Schutz geistigen Eigentums sei bedeutend für den Transfer an Unternehmen, aber der Technologietransfer müsste so umgestaltet werden, dass der Nutzen für die Öffentlichkeit stärker in den Vordergrund tritt. Die öffentliche Finanzierung klinischer Studien und konsequenterweise das öffentliche Eigentum an den zugehörigen Patenten wurde als eine mögliche Alternative zum vorherrschenden Paradigma präsentiert.
Brücken bauen
Wie kann das Modell Equitable Licensing in Deutschland und Europe die industrielle Weiterentwicklung akademischer Forschung fördern? Dieser Frage stellten sich zwei Referenten. Prof. Dominique Foray (École Polytechnique Fédérale de Lausanne) erläuterte Ergebnisse einer Untersuchung europäischer Patentverwertungsagenturen. Diese seien meist relativ klein und erst in den letzten 10 Jahren gegründet worden. Ziel ihrer Arbeit sei es, möglichst hohe Lizenzeinnahmen zu erhalten. Aber es gehöre auch zu ihrer Aufgabe, den Zugang zu Wissen zu fördern und örtliche wie auch globale Entwicklung zu fördern. Es sei das übergeordnete Ziel, der Gesellschaft Nutzen zu bringen. Deshalb müssten Lizenzen mit Mechanismen verknüpft werden, die den Zugang zu Wissen verbessern.
Dr. Carol Mimura führte in das Socially Responsible Licencing Program der University of California (Berkeley) ein. Als Rektorin der Intellectual Property & Industry Research Alliance an der University of California hat sie in den vergangenen Jahren etliche Projekte für Technologietransfer erfolgreich abgeschlossen. Diese sind so ausgelegt, dass sie einen Zugang zur Technologie auch für arme Länder sicherstellen.
Blick in die Zukunft
Das Abschlusspodium stand unter der Frage, welche Perspektive Equitable Licensing in Deutschland hat. Es diskutierten Ursula Haufe, Geschäftsführerin der ipal GmbH, Nicoletta Dentico, Senior Policy Advisor der Genfer Denkfabrik IQsensato, und Dr. Ulrich Romer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Man war sich einig, dass das gegenwärtige System von Patenten und Lizenzen in manchen Bereichen funktioniert aber dass es nicht für gerechten und weltweiten Zugang zu Medikamenten sorgt. Die Debatte über die Rolle der Translationsforschung stecke in Deutschland noch in den Kinderschuhen, und man könne viel von der Erfahrungen aus den USA lernen. Die Lücke zwischen Forschung und Produktentwicklung sei eine große Herausforderung, und ein öffentliches Engagement zur Füllung dieser Lücke würde immer stärker diskutiert. Das Konzept Equitable Licensing stieß auf grundsätzliche Offenheit "“ unter der Voraussetzung, dass es die Industrie nicht davon abhält, in die Produktentwicklung zu investieren.
Resumee
Erstmals ist ein Europa eine Gruppe Experten zusammengetroffen, um Möglichkeiten und Hindernisse für das Konzept Equitable Licensing zu diskutieren: Kann Equitable Licensing einen Beitrag zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung in armen Ländern leisten? Es wurde deutlich, dass auch in Deutschland viel Expertise vorhanden ist, um die moralische Verpflichtung der Forschung gegenüber Entwicklungsländern einzulösen. Deutschland kann hier eine europäische Vorreiterrolle übernehmen. Die Diskussionsbereitschaft aller anwesenden Gruppen wie Akademia, Industrie, Ministerien und Patentverwertungsagenturen war ermutigend.