Das Beispiel Schlangengift-Diagnostik.

Steckbrief: Schlangengift-Diagnostik
Krankheit: Vergiftung durch Bisse von Giftschlangen
Bedeutung: vor allem in Süd- und Südostasien, Afrika und Lateinamerika problematisch. Schätzungen: Weltweit bis zu
94.000 Todesfälle. 74 Überlebende haben häufig schwere Gesundheitsschäden. Voraussetzung für schnelle Hilfe wäre eine geeignete Diagnose der Schlangenart, die aber nahezu weltweit fehlt
Erfindung: Schnelldiagnostik für Schlangengifte
Erfinder: Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiKF), ein Joint Venture der Goethe Universität Frankfurt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung; miprolab GmbH Göttingen; Department of Medical Research Myanmar
Lösung:

  • Entwicklung als non-profit- Projekt
  • Technologietransfer
  • Open access Publikation

Infos: http://www.bik-f.de

Kategorie: Entwicklung als non-profit-Projekt, Technologietransfer, Open access Publikation

Schlangenbisse sind eine große Gefahr für Menschen in tropischen und subtropischen Regionen. Zu den Todeszahlen gibt es keine genauen Angaben, da vor allem Menschen in ländlichen Gebieten mit schlechter medizinischer Versorgung betroffen sind. Bauern, Fischer und Menschen, die in offenen Hütten schlafen, kommen am häufigsten mit Schlangen in Kontakt. Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte sind Süd- und Südostasien am stärksten betroffen. Alleine in Indien sterben jährlich 46.000 Menschen am Biss einer Giftschlange. In Sri Lanka melden öffentliche
Krankenhäuser jedes Jahr 33.000 Opfer von Schlangenbissen.
Vergiftungen durch Schlangenbisse zählen zu den vernachlässigten Krankheiten. Obwohl prinzipiell Gegengifte (Antivenine) zur Verfügung stehen, sterben immer noch sehr viele Menschen oder tragen schwere Gesundheitsschäden davon. Unwissen in der Bevölkerung über das richtige Verhalten bei Schlangenbissen erschwert die Situation. Häufig werden die Betroffenen zu spät in eine Klinik gebracht, und Kosten können eine zusätzliche Barriere darstellen. Und ganz entscheidend: Um das richtige Gegengift verabreichen zu können, muss die Schlangenart genau bekannt sein. Eine Fehleinschätzung – und das Antivenin ist wirkungslos. Noch immer ist die Verbreitung vieler Giftschlangenarten nicht genau bekannt. Eine feldgeeignete Diagnostik für die Identifikation von Schlangenbissen existiert bisher nicht. Nur für Australien gibt es gesicherte Laborverfahren.


Am Biodiversität und Klima Forschungszentrum der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (Frankfurt) wird derzeit eine neue Technik zur Identifizierung von Schlangenbissen entwickelt. Grundlage ist die richtige Zuordnung des Giftbisses über DNA-Spuren an der Bisswunde. Die Methoden erfordern Laborarbeit und sind momentan vor allem für die Forschung und für Kliniken geeignet. Ziel war deshalb, auch einen Schnelltest für Feldbedingungen zu entwickeln. Geeignete Technologie hierfür ist ein chromatographischer Test, der Schlangengift im Blut der Bissopfer nachweist (Antigen-basierte immun-chromatographische Lateral Flow Assays LFA). Die Brauchbarkeit der Methode wurde durch eine Studie mit einem Test auf das Gift der Kettenviper (Daboia siamensis) in Myanmar bestätigt. Weitere Studien zu unterschiedlichen Schlangenarten laufen in Bangladesch, Nepal und Nigeria an.

ulrich kuchIm Gespräch mit Dr. Ulrich Kuch

Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt

Herr Kuch, Sie haben einen Schnelltest zum Nachweis des Giftes der Kettenviper entwickelt. Wie finanzierten Sie die Entwicklung?

Der LFA-Test wurde von einem Joint Venture mit drei Partnern entwickelt: dem Biodiversität und Klima Forschungszentrum BiK-F aus Frankfurt, der miprolab GmbH aus Göttingen und dem Department of Medical Research von Myanmar. Jeder Partner hat seine Eigenmittel in das Projekt eingebracht.

Wem gehören die Ergebnisse?

Wir sind ein offenes Projekt. Jeder bringt seine Expertise und seine Mittel ein, und die gemeinsam geschaffenen Ergebnisse werden frei zugänglich publiziert. Sie stehen allen zur Verfügung.

Warum haben Sie auf Exklusivrechte verzichtet?

Anfangs haben wir diskutiert, ob wir patentieren sollen. Dann haben wir uns aber anders geeinigt. Ich finde, solche Informationen zu „essential diagnostics“, wie wir sie machen, müssen öffentlich verfügbar sein. Z.B. lehne ich auch die Patentierung von Gensequenzen ab.

Und das Unternehmen miprolab hat sich darauf eingelassen?

Ja, miprolab ist überzeugt, seine Interessen durch Qualität und durch Marktführerschaft zu vertreten. Man muss auch sehen, dass Myanmar ein Sprungbrett für weitere Märkte sein kann. Die Kettenviper (Daboia siamensis) ist in Asien weit verbreitet, von China bis nach Indonesien. Da besteht auch Bedarf für den Test.

Wird der Test schon produziert?

Bisher haben wir nur für Testzwecke produziert. Aber das Department of Medical Research hat schon die Geräte zur Herstellung angeschafft. Die LFA-Tests sollen in Myanmar hergestellt werden – das war Ausgangspunkt des Projektes. Das Gegengift ist immer Mangelware, und auch andere Giftschlangen lösen Symptome aus, die anfänglich denen der Kettenviper ähnlich sind. Durch die richtige Diagnose kann man Fehlabgaben vermeiden. Deshalb hat eine Kollegin aus Myanmar den Test hier mitentwickelt. Sie wurde bei miprolab geschult und ist nun mit fertigen Tests und dem Know-how zur Herstellung zurück nach Myanmar.

Arbeiten Sie an weiteren Diagnosetests?

Mit miprolab und weiteren akademischen Partnern entwickeln wir Tests für verschiedene Gifte aus Asien und Westafrika. In der Zukunft rechnen wir mit Konkurrenz verschiedener Hersteller. Da ist es unser Vorteil, dass wir wirklich Grundlagenforschung betreiben über die unterschiedlichen Gifte und die Verbreitung der einzelnen Arten. Und für die Qualität des Tests ist unsere klinische Validierung entscheidend.

Quelle: Pharma-Brief Spezial 1/2013