Steckbrief: Hepatitis C-Diagnostik
Krankheit: Hepatitis C
Bedeutung: Weltweit ca. 150 Millionen Infizierte und ca. 350.000 Todesfälle jährlich auf Grund von Spätfolgen wie Leberkrebs und Leberzirrhose
Erfindung: neues Diagnoseverfahren ermöglicht Test von Blutkonserven auch in ärmeren Ländern
Kosten: 1/10 der marktüblichen Verfahren
Finanzierung: VolkswagenStiftung
Verwertungsmodell: Erfinder verzichten auf Exklusivrechte

Kategorie: Patentverzicht, Open access Publikation

Die Erfindung schafft neue Möglichkeiten in der Bekämpfung von Hepatitis C. Eine Diagnose-Methode erlaubt es, auch in ärmeren Ländern kostengünstig Blutkonserven auf Hepatitis C-Viren (HCV) zu testen. Wissenschaftler des Bernhard- Nocht-Instituts Hamburg und der Universität Bonn veröffentlichten 2009 ein Verfahren, das erstmals auch Erregertypen erfasst, die nicht aus Industrieländern stammen. An der Entwicklung waren ForscherInnen aus Brasilien, England, Schottland, Singapur und Südafrika beteiligt.
Die ForscherInnen haben das Diagnoseverfahren detailliert veröffentlicht. Die Publikation ist kostenlos im Internet abrufbar und kann weltweit frei von allen Unternehmen genutzt werden, die an der Herstellung interessiert sind. „Wer den Test anwenden möchte, kann bei uns zudem Kontrollreagenzien erhalten“, sagt Jan Felix Drexler, einer der verantwortlichen Wissenschaftler. Hepatitis C verläuft in den meisten Fällen zunächst unbemerkt, die chronische Erkrankung kann aber zu gefährlichen Spätfolgen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs führen. Die Hauptverbreitung findet vermutlich über unsaubere Spritzen statt, daneben spielen Blutkonserven eine Rolle, weshalb sie in Europa und den USA standardmäßig auf HCV getestet werden. Die Tests sind in Entwicklungsländern nur unzureichend verfügbar: sie sind sehr teuer, und sie decken die weltweit verbreiteten Virentypen nur unzureichend ab.


Diese Lücke füllte 2009 das neue Testverfahren. Ein PCR-Assay (PCR = Polymerase Chain Reaction, ein Standardverfahren zur Vervielfältigung der Erbsubstanz DNA) arbeitet mit einem Bereich im Genom des HCV, die weltweit in vielen Genotypen vorkommt. Diese Stelle im Erbgut des Virus (die 3‘-X-tail-Region) konnten die WissenschaftlerInnen durch Analyse von 725 Proben aus vier Kontinenten identifizieren und sequenzieren – die Proben stammten aus Brasilien, Deutschland, Großbritannien und Singapur. In einem brasilianischen Labor bestätigte man die Eignung der Methode. Sie ist schnell und erfordert im Vergleich zu den bisher verfügbaren Verfahren nur einen geringen Laboraufwand. Deshalb ist sie auch in Regionen mit geringen Ressourcen gut einsetzbar. Sie erkennt verschiedene Virentypen mit der gleichen Zuverlässigkeit. Auch die Qualitätssicherung, die für eine gute Diagnostik wesentlich ist, kann gut in den Anwendungslabors durchgeführt werden, wie die Untersuchungen in Brasilien zeigten. Vor allem ist die Methode günstig. Während ein üblicher Test in Brasilien 100 US-Dollar und mehr kostet (Stand 2009), fallen für das neue Verfahren nur 9 US-Dollar Materialkosten an. Weitere 10 US-Dollar müssten als Lizenzgebühr an verschiedene Pharmaunternehmen gezahlt werden, denen Patente für das HCV-Genom gehören.

Im Gespräch mit Prof. Dr. Christian Drosten

Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn

Herr Drosten, Sie haben eine Methode zur Diagnostik von Hepatitis C entwickelt und als Open Access Publikation veröffentlicht. Dafür bekommen Sie keine Lizenzgebühren?

Hepatitis C-Tests mit Lizenzgebühr gab es auch schon vor unserem Test. Die sind aber sehr teuer. Zum Zeitpunkt unserer Arbeit waren bereits etliche Bereiche des Hepatitis C-Genoms von großen Biotech-Unternehmen patentiert, aber das Genom noch nicht fertig beschrieben. Wir konnten neue Regionen identifizieren. Wir konnten auch zeigen, dass diese Regionen für die Diagnostik geeignet sind und das Verfahren auch in Entwicklungsländern angewendet werden kann. Darauf haben wir besonderen Wert gelegt. Lizenzforderungen für unsere Entwicklung wären sinnlos.

Warum haben Sie sich nicht für eine Patentierung entschieden, sondern für die Open Access Publikation?

Wir haben unsere Erfindung am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg gemacht, dort gemeldet und ganz korrekt prüfen lassen. Das schreibt das Arbeitnehmererfindungsgesetz vor. Die Prüfung ergab, dass eine Patentierung mit nachfolgender Lizenzierung nicht umsetzbar wäre. Der Schritt vom Wissen, das wir publiziert haben, zur technischen Umsetzung ist so klein, da könnten wir nicht kontrollieren, wer das benutzt.

Wurde Ihre Erfindung aufgegriffen? Sind Diagnostika mit Ihrer Technologie auf dem Markt?

Das kann ich nicht sagen. Aber die Reagenzien und Proben, die wir angeboten hatten, sind von sehr vielen Laboren angefordert worden.

Ist diese Open Access Publikation ein Einzelfall geblieben?

Nein, alle unsere Methoden sind industriell umsetzbar. Letztes Jahr haben wir die Daten und Methoden zum Corona-Virus veröffentlicht. In manchen Forschungsbereichen ist die Translation in die Anwendung schwierig, aber in unserem Bereich ist das sehr naheliegend. Es gibt regelmäßig Firmen, die unsere Protokolle und Materialien benutzen. Und wir haben ganz regelmäßig Anfragen von Firmen aus China, Indien oder Lateinamerika. Die lokalen Firmen bitten um technischen Rat oder um Kontrollmaterial. Sie haben ganz offensichtlich Interesse an einer Vermarktung, aber das prüfen wir nicht. Wir sind Wissenschaftler, und unser Interesse ist es nicht, Profit zu generieren.

Über Christian Drosten: Professor Dr. Christian Drosten ist Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn.

Quelle: Pharma-Brief Spezial 1/2013